76.500 Euro Schmerzensgeld für unbehandelte Infektion im Knie mit Amputation
Der Behandlungsfehler muss nicht zwingend während des ärztlichen Eingriffs geschehen, sondern kann auch in der fachgerechten Nachsorge im Anschluss an die Behandlung liegen. Dies zeigte die Entscheidung des OLG Bremen vom 07. März 2000, in der das Gericht dem Orthopäden zwar nicht die Verwendung eines unsterilen Werkzeugs im Zuge der Operation als Behandlungsfehler ansah, wohl aber in der grob behandlungsfehlerhaften Nachsorge der Patientin einen ärztlichen Fehlgriff.
Anstatt der Ursache der erheblichen Schmerzen der Patientin auf den Grund zu gehen und eine Infektion im Kniegelenk auszuschließen, erfolgte eine unbegründete antibiotische Behandlung mit einem verspäteten Revisionseingriff. So blieb die Infektion im Knie unbehandelt.
Für die daraus entstandenen massiven Schäden im Knie sprach das OLG Bremen der Geschädigten ein Schmerzensgeld in Höhe von 150.000 DM (umgerechnet: ca. 76.500 Euro) aus.
Wie konnte es der unbehandelten Infektion im Knie kommen?
Warum hat sich die Patientin überhaupt beim Orthopäden vorgestellt? Bei ihr bestand ein Knorpelschaden. Deswegen hat der Orthopäde zunächst eine minimal-invasive Operation angesetzt (sog. Arthroskopie) und anschließend auf eine offene Gelenkoperation (sog. Arthrotomie) umgestellt, damit der Knorpeldefekt behandelt werden kann (sog. Mikrofrakturierung oder engl. microfracturing).
Gut zu wissen: Bei der Mikrofrakturierung werden ganz kleine Löcher in den Knochen direkt unter dem Knorpeldefekt gebohrt. Das stimuliert das Knochenmark und löst Reparaturmechanismen aus. Auf diese Weise bildet sich neuer Knorpel. Dieses Gewebe (Faserknorpel) ist allerdings nicht so belastbar, wie der ursprüngliche Knorpel.
Drei Tage später klagte die Patientin über Fieber, einer Schwellung unter der Haut an der Außenseite des Kniegelenks und Schmerzen im operierten Bein. Der Orthopäde sah sich das Knie an und ordnete eine Laborkontrolle der Blutwerte an. Diese ergab u.a. eine erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG).
Der Orthopäde hat es in diesem Zusammenhang unterlassen, den möglichen Erreger (Bakterium) durch einen Keimnachweis (Bakterien-Kultur) zu bestimmen. Genau das entspricht aber dem Facharztstandard und hätte deshalb zwingend gemacht werden müssen. Stattdessen leitete der Orthopäde, ohne die Ursache der Infektion zu kennen, pauschal eine antibiotische Therapie ein.
Gut zu wissen: In der Bakterienkultur werden die Bakterien angezüchtet. Wen sie sich vermehren und wachsen, kann man anschließend ein Antibiotikum bestimmen, das gegen sie am besten wirkt. D.h. die Keime reagieren sensibel auf das bestimmte Antibiotikum und können so gezielt bekämpft werden. Wird stattdessen ein Breitbandantibiotikum eingesetzt, wirkt dieses nicht nur bedingt und die Bakterien können sich trotzdem vermehren. Eine dann durchgeführte Bakterienkultur wird zudem verfälscht und das Ergebnis ist oftmals nichtsagend – mit verheerenden Folgen!
Nachdem die Schmerzen in den darauffolgenden Tagen unverändert anhielten und sich der BSG-Wert nochmal verdoppelte (116 im Vergleich zum Normwert von <10), nahm der Orthopäde an einem Freitag eine Wundspreizung mit anschließender Entleerung der Wunde vor. Laut seinen Angaben entleerte sich ein „klares Serom“.
Laut der Patientin entnahm der Orthopäde jedoch Eiter aus der Wunde, was für eine Infektion spricht.
Auch bei dieser Gelegenheit verzichtete der Arzt unverständlicherweise erneut auf eine Bestimmung der Erreger und ordnete weiter die Einnahme des Antibiotikums an.
In den nächsten Tagen (Wochenende) verschlechterte sich der Zustand der Patientin drastisch, woraufhin sie sich bereits am Montag erneut bei dem Orthopäden vorstellte. Dieser führte eine Revisions-OP durch.
In der Folgezeit kam es zu wiederkehrenden Infektionen im Kniegelenk der Patientin. Es schlossen sich insgesamt 30 (!) Operationen in verschiedenen Krankenhäusern an. Bei einer dieser Operationen musste die linke Kniescheibe entfernt und schließlich der Oberschenkel amputiert werden.
Die Patientin verlor durch die Behandlungsfehler (unbehandelte Infektion im Knie) ihr linkes Bein. Seitdem ist sie auf ständige Einnahme von Opiod-Analgetika (diese Medikamente machen bei längerer Einnahme abhängig) angewiesen. Sie klagt täglich über Phantom, Stumpf- und Narbenschmerzen. Dass die unbehandelte Infektion im Knie diese Folgen für sie hätte, war für sie vor der ersten Operation natürlich nicht auszudenken.
Wieviel Schmerzensgeld ist für eine unbehandelte Infektion im Knie mit anschließender Amputation angemessen?
Das OLG Bremen sah in dem Vorgehen des Orthopäden, entgegen dem vorangehenden Urteil des LG Bremen, einen groben Behandlungsfehler des Arztes. Dies führt zu einer Beweislastumkehr zu seinem Nachteil bezüglich der Kausalität.
Gut zu wissen: Grundsätzlich sind die Patienten in der Pflicht, einen Behandlungsfehler und diese kausalen Schäden nachzuweisen. Beweislastumkehr betreffend die Kausalität bedeutet, dass der Arzt beweisen muss, dass die eingetretenen Folgen nicht auf die von ihm begangenen Fehler zurückzuführen sind. Dieser Beweislast ist in der Praxis so gut wie nie zu führen. Deswegen ist bei nahezu jedem Patienten bzw. Patientin, die sich auf die Beweislastumkehr berufen können, ein Sieg im Gerichtsverfahren.
Der im Verfahren eingeschaltete Sachverständige bewertete den unterlassenen Revisionseingriff als fahrlässig, nachdem die Patientin über erhebliche Schmerzen, Schwellungen und Fieber zum erneuten Male geklagt hat. Die labormäßige Untersuchung, die keinerlei Bakterien nachweisen konnte, könne den behandelnden Arzt nicht entlasten, da er mit dem Einsatz des Antibiotikums die Infektion gerade verschleierte.
Dem stimmte das OLG Bremen zu und sah in dem unterlassenen Revisionseingriff einen groben Behandlungsfehler. Der Geschädigten wurden umgerechnet 76.500 Euro Schmerzensgeld, ein Anspruch auf Verdienstausfall, sowie zusätzlich die Kompensation aller zukünftigen materiellen und immateriellen Schäden als Folge der Behandlung zugesprochen.
Fazit bei Behandlungsfehler nach Knie-OP:
Wie der Fall zeigt, gibt es mehrere Zeitpunkte, in denen ein Behandlungsfehler des Arztes, vorliegen kann. Allerdings ist es schwierig einen Behandlungsfehler, ohne das erforderliche medizinische und juristische Know-how, vor Gericht zu beweisen. Damit auch Sie erfolgreich Ihren Anspruch auf Schmerzensgeld oder Schadensersatz durchsetzen können, empfehlen wir Ihnen, so früh wie möglich, einen Fachanwalt für Medizinrecht mit jahrelanger Berufserfahrung zu kontaktieren.
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