50.000 Euro Schmerzensgeld für Behandlungsfehler – übersehener Schlaganfall

Für die Erben des betroffenen Patienten hat die Kanzlei für Medizinrecht Mainz kürzlich ein Schmerzensgeld für einen übersehenen Schlaganfall durchgesetzt. Der unerkannte oder übersehene Schlaganfall ist ein Behandlungsfehler, der Patientenanwälten aus der täglichen Praxis (leider) nur zu gut bekannt ist. Die Folgen eines zu spät erkannten Schlaganfalls sind schwerwiegend. In dem heutigen Beitrag erfahren Sie mehr darüber, wie es zu dem unerkannten Schlaganfall kommen konnte und welche Behandlungsfehler dem Bereitschaftsarzt vorzuwerfen waren. Bedauerlicherweise hat der Patient die Folgen nicht überlebt. Im Ergebnis ist es ein Fall der unterlassenen Befunderhebung. Im Ergebnis konnte die Kanzlei für die Hinterbliebenen des verstorbenen Mannes ein beachtliches Hinterbliebenengeld und Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 Euro erwirken.

Wie kam es zu dem unerkannten Schlaganfall?

Der betroffene Patient litt an Demenz und lebte deshalb in einem Pflegeheim. Er war grundsätzlich aber in einem guten Allgemeinzustand, konnte sich mit Hilfe eines Rollators mobilisieren und unternahm viel mit seiner Familie.

Erste Anzeichen für Schlaganfall

Eines nachts wurde der Mann von einem Pfleger liegend vor seinem Bett gefunden. Er musste beim Toilettengang gestürzt sein. Es waren jedoch keine äußerlichen Verletzungen sichtbar, weshalb er wieder ins Bett gebracht wurde.

Am darauffolgenden Tag stürzte der Mann beim morgendlichen Spaziergang erneut als er mit seinem Rollator durchs Pflegeheim ging. Auch hier wurden keine sichtbaren Verletzungen festgestellt.

Im Laufe des Tages wurde der Mann zunehmend träge und musste mit einem Rollstuhl gefahren werden, weil er müde war und nicht mehr selbstständig laufen könne. Irgendwelche neurologischen Auffälligkeiten sind aber nicht aufgefallen.

Gut zu wissen: Bei einem Schlaganfall kommt es entweder zu einer Einblutung im Gehirn, wodurch bestimmte Areale nicht ausreichend mit sauerstoffhaltigem Blut versorgt werden. Oder ein Blutgefäß wird „verstopft“ mit der selben Folge: bestimmte Bereiche des Gehirns bekommen zu wenig Sauerstoff. In beiden Fällen sterben Zellen im Gehirn ab und es kommt zu neurologischen Ausfällen (häufig sind es herabhängende Mundwinkel, verwaschene Sprache o.ä.).

Erste neurologische Auffälligkeiten

Als eine Pflegekraft in der Nacht um 21:00 Uhr nach dem Mann schaute, lag dieser nicht ansprechbar in seinem Bett. Er röchelte und einer der Mundwinkel hing bei ihm herunter. Geistesgegenwärtig dachte die Pflegekraft sofort an einen Schlaganfall. Sie rief sofort beim ärztlichen Bereitschaftsdienst an. Dieser erklärte sich erst nach einer langen und unnötigen Diskussion bereit, nach dem Mann zu sehen.

„Behandlung“ des Schlaganfalls durch Bereitschaftsarzt

Der Bereitschaftsarzt traf um 22:20 Uhr im Pflegeheim ein – also 80 Minuten (!) später. Er fand den Mann vermeintlich schlafend in seinem Bett vor.

Gut zu wissen: Bei Verdacht auf einen Schlaganfall muss man unbedingt versuchen, die betroffene Person zu wecken. Gelingt das nicht, ist Eile geboten und der/die Betroffene muss sofort ins Krankenhaus, um durch ein cCT abzuklären, ob ein Schlaganfall vorliegt und was die Ursache für den Schlaganfall ist.

Er hat (ohne sich nach dem allgemeinen gesundheitlichen Zustand des Mannes zu überprüfen) im schlafenden Zustand den Blutdruck gemessen und hörte das Herz ab. Aus völlig unverständlichen Gründen hat er aber nicht versucht, den Mann aufzuwecken und Untersuchungen nach dem ABCDE (Airway- Breathing- Circulation- Disability- Environment) und dem FAST-Schema (Face-Arm-Speech-Time) durchzuführen. Ein eindeutiger Behandlungsfehler. Denn so wurde ein Schlaganfall nicht ausgeschlossen und blieb letztlich unerkannt.

Gut zu wissen: Beide Methoden (ABCDE und FAST) dienen als gezielte Untersuchung, indem sie eine Verbindung von Kommunikation und motorischen Reaktionen des Patienten abverlangen.

Zu allem Überfluss dokumentierte der Bereitschaftsarzt, dass „dieser Mann nicht krank“ wäre und beschimpfte sogar die Pflegefachkraft, dass sie „keine Ahnung“ hätte und ihm seine „wertvolle Zeit stehle“.

Bevor er um 22:35 Uhr – also nur 15 Minuten (!)– später das Pflegeheim wieder verließ, setzte er alledem noch die Krone auf und verfasste eine Beschwerde an die Heimleitung. In dieser schrieb er, dass das alles „Fake-News“ wären, er als Bereitschaftsarzt „völlig überflüssig“ in Anspruch genommen worden und die „Pflegekraft vollkommen inkompetent“ sei.

Er unternahm im Ergebnis nichts, um dem Verdacht auf einen Schlaganfall nachzugehen und verließ das Pflegeheim unverrichteter Dinge und zudem erbost, dass man ihn „belästigt“ habe. Ein klarer Fall des Behandlungsfehlers im Sinne einer unterlassenen Befunderhebung.

Ablauf nach unerkanntem Schlaganfall am Folgetag

Am nächsten Tag kam die Tochter zu Besuch. Auch jetzt reagierte der Patient weder auf Ansprache noch gelang es, ihn aufzuwecken.

Nachdem die Pflegekraft die Tochter über den von ihr vergangene Nacht geäußerten Verdacht auf einen Schlaganfall informiert und sich der Zustand auch im Verlauf des Tages nicht gebessert hatte, wurde ein Notarzt gerufen.

Welche Maßnahmen sind zur Behandlung eines Schlaganfalls erforderlich?

Nach Eintreffen des Notarztes wurde der Patient sofort in eine radiologische Praxis eingeliefert, wo ein cCT durchgeführt wurde.

Gut zu wissen: Hierbei handelt es sich um eine radiologische Untersuchungsmethode zur Schnittbilddarstellung von Gehirn, Hirnhäuten und knöchernem Schädel, die insbesondere für die Notfallmedizin und die Neurologie große Bedeutung hat. Damit lässt sich erkennen, ob ein Schlaganfall vorliegt.

Der Patient wurde anschließend ins Krankenhaus eingewiesen. Die weiteren Untersuchungen ergaben einen schweren Schlaganfall, von welchem sich der Betroffene nicht mehr erholen würde.

Die Ärzte verlegten den Patienten auf die sog. „Stroke-Unit“, wo eine Lysetherapie wegen Überschreiten des Zeitfensters für die Behandlung mit Actilyse nicht mehr möglich war.

Der Mann verstarb leider an den schweren Folgen des unerkannten Schlaganfalls.

Behandlungsfehler durch den Bereitschaftsarzt

Dem hier behandelnden Bereitschaftsarzt sind mehrere grobe Behandlungsfehler vorzuwerfen, und zwar:

  • verspätete Ankunft des Arztes beim Patienten (er hätte sich nach dem Anruf unverzüglich auf den Weg ins Pflegeheim begeben müssen).
  • unterlassene Befunderhebung nach dem ABCDE-Schema und dem FAST-Schema sowie unterlassener Versuch, den Patienten zu wecken
  • unterlassene Einweisung ins Krankenhaus, um ein cCT durchzuführen.

Durch die Behandlungsfehler wurde der Zeitraum für eine sog. Lysetherapie verpasst.

Gut zu wissen: Bei der Lysetherapie werden Blutgerinnsel durch die Gabe von Medikamenten aufgelöst, sodass der Blutfluss in Gehirn wiederhergestellt wird.

Für eine solche „Lyse“ ist ein Zeitfenster von 4,5 Stunden vorgesehen. Der Zeitablauf beginnt mit dem sog. „last-seen-normal“ Moment, also mit dem Zeitpunkt, in dem der Patient zum letzten Mal im normalen Zustand gesehen wurde, d.h. keine neurologischen Auffälligkeiten vorgelegen haben.

Dieser Zeitpunkt war in dieser Fallgestaltung bei der Einlieferung des Patienten ins Krankenhaus längst verpasst. Eine Lysetherapie wäre aber innerhalb von 4,5 Stunden erforderlich und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch erfolgreich gewesen. Aus diesem Grund haftet der Bereitschaftsarzt auf Schmerzensgeld für den übersehenen Schlaganfall.

Beweislastumkehr

Die rechtliche Konsequenz für grobe Behandlungsfehler ist gemäß §630h Abs. 5 S. 2 BGB die sog. Beweislastumkehr.

Die Beweislastumkehr ist eine Ausnahme des gesetzlichen Grundsatzes der Beweislastverteilung. Liegt ein grober Behandlungsfehler vor, so muss der Arzt beweisen, dass die gesundheitliche Verschlechterung des Klägers nicht in seinem Verhalten ihre Ursache hat. Das ist vor allen dann günstig, wenn PatientInnen mehrere Erkrankungen haben und dadurch theoretisch mehrere Ursachen neben dem Behandlungsfehler in Betracht kommen.

Wie viel Schmerzensgeld bei einem nicht erkannten Schlaganfall angemessen?

Die Kanzlei für Medizinrecht Mainz hat für die beiden Kinder des verstorbenen Patienten ein ererbtes Schmerzensgeld für den übersehenen Schlaganfall und ein sog. Hinterbliebenengeld von insgesamt 50.000 Euro erkämpft.

Die Beurteilung des Schmerzensgelds erfolgt anhand feststehender Gesichtspunkte, die unter anderem die Schwere des Schadens, die erlittenen Beeinträchtigungen, das Ausmaß des Verschuldens, aber auch das Alter und die Lebenssituation wie auch mögliche Vorerkrankungen berücksichtigen. Die Gerichte ziehen dabei als Orientierungshilfe und zur Wahrung des Gleichheitssatzes (Artikel 3 GG) frühere Entscheidungen anderer Gerichte heran.

Gut zu wissen: Frühere Entscheidungen und Schmerzensgeld-Tabellen sind aber nicht verbindlich. Das heißt, dass Gerichte im Einzelfall davon abweichen können. Der Bundesgerichtshof spricht sich immer wieder dafür aus, heutzutage deutlich großzügiger bei der Bemessung von Schmerzensgeld zu verfahren als früher.

Bei Behandlungsfehlern mit Todesfolge ist zu beachten, dass nicht der Tod als solcher „entschädigt“ werden soll und auch nicht darf. Ansonsten würde man das Leben mit Geld bewerten. Das ist wiederum unvereinbar mit dem Grundgesetz und dem Schutz der Menschenwürde.

Beim Hinterbliebenengeld kommt es auf das seelische Leid an der Hinterbliebenen Angehörigen an. Dabei wird unter anderem die Intensität des Miterlebens des Todes des Angehörigen für die Verwandten berücksichtigt. Jedes Gericht hat auch insoweit die freie Entscheidung, wie viel Hinterbliebenengeld es in dem individuellen Fall für angemessen empfinden (sog. Ermessen).

Gerichte orientieren sich bei der Höhe der Hinterbliebenengelder regelmäßig an der Rechtsprechung zu sog. Schockschäden und sprechen meist Beträge um 10.000 Euro für nächste Angehörige zu (Ehemann/Ehefrau, Vater/Mutter). Für Kinder oder Geschwister von verstorbenen PatientInnen werden geringere Beträge, regelmäßig ca. 7.500 Euro ausgeurteilt.

Fazit

Gerade im Hinblick darauf, dass der Patient leider an den tragischen Folgen der Behandlung verstarb, liegt das Schmerzensgeld für den übersehenen Schlaganfall einschließlich Hinterbliebenengeld in Höhe von insgesamt 50.000 Euro im Vergleich zu ähnlich gelagerten Fallgestaltungen in einem durchaus hohen Bereich.

Was können Sie in einem vergleichbaren Fall tun?

Ein Schlaganfall ist mit erheblichen und schwerwiegenden Folgen für die betroffenen Personen verbunden. Noch mehr Fragen kommen auf, wenn ein Behandlungsfehler dazu geführt hat, dass ein Schlaganfall übersehen oder nicht rechtzeitig entdeckt und behandelt wurde. Damit auch Sie in einer solchen Situation mit Ihren Fragen nicht alleine sind, ist es besonders wichtig einen erfahrenen Anwalt für Medizinrecht an Ihrer Seite zu haben.

Vor allem bei einem Fall der Arzthaftung mit Todesfolge bedarf es aber neben der nötigen Erfahrung und fachlichen Kompetenz auch Fingerspitzengefühl und das nötige Einfühlungsvermögen.

Die Kanzlei für Arzthaftung und Geburtsschaden Mainz verfügt über das know-how und die Erfahrung aus 15 Jahren Tätigkeit für geschädigte PatientInnen, zu denen immer wieder auch Opfer eines übersehenes Schlaganfalls gehören. Wenn Sie Fragen zu einem Behandlungsfehler im Zusammenhang mit einem Schlaganfall haben, vereinbaren Sie einen unverbindlichen und kostenlosen Termin. Fachanwalt Christoph Mühl berät Sie gerne zum Thema Schmerzensgeld für einen übersehenen Schlaganfall.



Christoph Mühl
Christoph MühlFachanwalt für Medizinrecht
Rechtsanwalt Christoph Mühl ist Patientenanwalt und hilft seit 15 Jahren Opfern von ärztlichen Behandlungsfehlern, einen angemessenen Schadenersatz und Schmerzensgeld für Verletzungen zu erhalten, die bei Operationen und ärztlichen Behandlungen aufgetreten sind.
Schmerzensgeld Mainz Wiesbaden Frankfurt
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