Erfahren Sie, warum eine Patientin Schmerzensgeld in Höhe von 40.000 € wegen einer Durchtrennung eines Nervs zugesprochen bekam.
Mit einem scharfen Skalpell durchtrennte der Arzt bei einer Knieoperation alle Gewebeschichten in einem Zug. Obwohl sich im hinteren Bereich des Kniegelenks gefährdete Strukturen mit Nerven, namens Vena saphena magna und der Nervus saphenus, befinden, wählte der Operateur bei der schmächtigen Patientin keine schrittweise Vorgehensweise zur Anlegung des Zugangs. Als Konsequenz wurde bei Anlage des Zugangs der Nervus saphenus durchtrennt, welcher die Haut der Unterschenkelinnenseite und die Haut über dem oberen Ende des Schienbeinknochens versorgt. Folglich leidet die Patientin unter einer dauerhaften Taubheit im rechten Unterschenkel im Versorgungsgebiet des Nervus saphenus und klagt vor allem über Missempfindungen und erheblichen Einschränkungen im Alltag. Das OLG Köln (Urteil vom 26.07.2017 – 5 U 152/15) sprach ihr deshalb ein Schmerzensgeld in Höhe von 40.000 € aus und stellte zudem die Zahlung sämtlicher zukünftiger immaterieller und materieller Schäden zulasten des Arztes fest.
Wie kam es zur Durchtrennung des Nervus saphenus?
Nachdem der Patientin viele Jahre zuvor der Außenmeniskus am rechten Knie komplett entfernt wurde, beklagte sie 25 Jahre nach dem Eingriff ein wiederholbares Knacken an der Außenseite des rechten Knies. Eine Magnetresonanztomografie (MRT) zeigte einen freien Gelenkkörper, woraufhin der kontaktierte Chirurg einen möglichen Operationstermin in Aussicht stellte. Der Ehemann der Patientin ist selbst Chirurg und injizierte ihr Kortison, was nur zu einer kurzfristigen Linderung der Schmerzen führte.
Als sich die Schmerzen wieder verschlimmerten, telefonierten der Chirurg und die Patientin zwei Tage vor dem Operationstermin. In diesem Gespräch hat der Chirurg nach seinen Angaben die Patientin über mögliche Risiken, auch insbesondere die der Nervenverletzung, aufgeklärt, was die Patientin vehement bestreitet.
Laut ihrer Aussage hätte sie nicht eine solche Operation gewagt bzw. sich nochmal mit ihrem Ehemann über die hohen Risiken besprochen, wenn sie über eine mögliche Nervenverletzung informiert gewesen wäre. Während der Knieoperation legte der Chirurg einen weiteren, posteriomedialen Zugang an, der zur Entfernung des Gelenkkörpers notwendig war. Diesen Zugang legte er mittels eines scharfen Skalpells in nur einem Schnitt an. Dabei verkannte der behandelnde Arzt, dass im hinteren Bereich des Kniegelenks gefährdete Strukturen, wie etwa die Vena saphena magna und der Nervus saphenus gelegen sind und durchtrennte den Nervus saphenus.
Ein später eingeholtes Gutachten eines Sachverständigen ergab folgende, schonendere Vorgehensweise:
- Wenn dem Chirurgen die eindeutige Identifizierung der Nerven nicht möglich war, ist es deshalb erforderlich zunächst mit einem Skalpell die erste Hautschicht zu öffnen.
- Anschließend empfiehlt sich eine stumpfe Präparation, wie etwa mit einem Bourgierstift, einem stumpfen Trokar, oder mit einem Moskito-Klemmchen. Auf diese Weise kann der Chirurg bis zur Kapsel vordringen und diese dann öffnen. Gerade bei schmächtigen Patienten ließe sich die jeweilige Gewebeschicht erkennen und sodann unterschiedlich verfahren. Hierdurch wäre der Nervus saphenus abgedrängt und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht durchtrennt worden.
- Auch bei einem Abdrängen und Beiseiteschieben eines Nervens könne es zwar wegen dessen Druckempfindlichkeit zu einer Funktionsstörung kommen, die jedoch im Falle des Nervus saphenus heilbar gewesen wäre. Die Wahrscheinlichkeit für die Rückbildung eines Druckschadens liege bei 99,5 %.
Aufgrund der Durchtrennung des Nervens leidet die Patientin seitdem unter einem ständigen Taubheitsgefühl im rechten Unterschenkel und beklagt zudem neuropathische Schmerzen und Missempfindungen.
Gut zu wissen: Neuropathische Schmerzen, die durch anfallsartige, stechende und brennende Schmerzen gekennzeichnet sind, in Kombination mit dem Taubheitsgefühl im gesamten Unterschenkel erschweren die alltägliche Lebensführung wie bspw. beim Tragen von Kleidung, beim Autofahren, beim Treppensteigen oder bei bloßen Berührungen besonders.
Tagsüber trägt sie deshalb ein Analgetika-Pflaster mit dem Wirkstoff Lidocain, die sie nachts zur Schonung der Haut abnehmen müsse. Darüber hinaus hat die Geschädigte bereits beim Umdrehen im Schlaf so erhebliche Schmerzen, dass sie häufig schlecht schläft. Der Sachverständige machte in seinem Gutachten deutlich, dass die Beschwerden typisch für die posttraumatische Bildung eines Neuroms seien.
Gut zu wissen: Neurom ist eine Wucherung von Nervengewerbe. Dabei handelt es sich um eine Gewebsneubildung, die sich häufig nach einer Nervenverletzung oder Nervendurchtrennung (oder Amputation) ausbildet.
Wieviel Schmerzensgeld ist für eine Nervenverletzung bei Knieoperation angemessen?
Das Schmerzensgeld soll grundsätzlich dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für die Beeinträchtigungen bieten, die nicht vermögensrechtlicher Natur sind. In erster Linie bilden die Schwere der Verletzungen, das durch diese bedingten Leiden, dessen Dauer, sowie das Ausmaß der Beeinträchtigungen der Lebensführung im privaten und beruflichen Bereich die wesentliche Grundlage für die Bemessung der Entschädigung. Der Senat des OLG Köln entschied sich wegen der Schwere der Verletzung und der in alltäglichen Situationen dauerhaft zu ertragenden Schmerzen der Patientin für ein Schmerzensgeld in Höhe von 40.000 €wegen der Nervenverletzung bei der Knieoperation.
Was können Sie tun, wenn bei Ihnen eine Nervenverletzung bei Knieoperation vorliegt?
Der Unfallchirurg / Orthopäde ist durch den Behandlungsvertrag (§ 630a BGB) zu einer den medizinischen Standards genügenden Behandlung verpflichtet. Ist dies nicht der Fall oder handelt er (grob) fahrlässig, wodurch dem Patienten Schäden entstehen, hat dieser einen Anspruch auf Schmerzensgeld oder Schadensersatz.
Die Kanzlei für Arzthaftung und Geburtsschaden Mainz verfügt über das Fachwissen und die Erfahrung aus 15 Jahren Tätigkeit für Opfer von ärztlichen Behandlungsfehlern in der Unfallchirurgie und der chirurgischen Orthopädie. Wenn Sie Fragen zu einem Behandlungsfehler im Zusammenhang mit einer Nervenverletzung oder es bei Ihnen zu einer fehlerhaften Knie-OP gekommen ist, vereinbaren Sie bei uns einen unverbindlichen und kostenlosen Termin: 06131 6366752. Fachanwalt Christoph Mühl berät Sie gerne zum Thema Schmerzensgeld im Bereich fehlerhafte Knie-Operation und Nervenverletzungen bei Operationen.








