Blinddarmentzündung nicht erkannt: Wie ein medizinischer Fehler zum 45.000-Euro-Vergleich führte.
Die Geschichte eines dreijährigen Jungen zeigt eindrücklich, welche dramatischen Folgen entstehen können, wenn eine Blinddarmentzündung nicht erkannt wird. Was als harmloser Infekt begann, entwickelte sich zu einem medizinischen Notfall mit schwerwiegenden Konsequenzen – und endete in einem außergerichtlichen Vergleich über 45.000 Euro.
Der dramatische Verlauf: Von Bauchschmerzen zur Not-OP
Ende Januar 2024 klagte der damals dreijährige Patient zunächst über typische Erkältungssymptome. Doch am 25. Januar verschlechterte sich sein Zustand rapide: Starke Bauchschmerzen, hohes Fieber und wiederholtes Erbrechen alarmierten die besorgten Eltern.
Drei Tage später, am 28. Januar, stellten sie ihren Sohn im Klinikum Wolfsburg vor. Bei der Untersuchung zeigte sich ein besorgniserregendes Bild:
- Körpertemperatur von 39,5 °C
- Geblähter Bauch mit Druckschmerz
- Schmerzmaximum im rechten Unterbauch – ein klassisches Alarmsignal

Trotz dieser eindeutigen Warnsignale und obwohl die Appendizitis explizit als Differentialdiagnose genannt wurde, entließen die Ärzte das Kind nach Hause. Die Diagnose: Verstopfung und RS-Virus-Infektion. Die Eltern erhielten Paracetamol-Zäpfchen und die Empfehlung, auf ausreichende Flüssigkeitszufuhr zu achten.
Die fatale Fehleinschätzung und ihre Folgen
Bereits am nächsten Tag, dem 29. Januar, zeigte sich, dass diese Entscheidung ein gravierender Fehler war. Der Zustand des Jungen verschlechterte sich dramatisch:
- Körpertemperatur von 41 °C
- Brettharter, stark gespannter Bauch
- Schonhaltung mit angezogenen Beinen
- Blässe und deutlich reduzierter Allgemeinzustand
Die behandelnde Kinderärztin erkannte sofort den Ernst der Lage und wies das Kind umgehend ins Krankenhaus ein. Dort bestätigte sich der schlimmste Verdacht: Der CRP-Wert – ein Entzündungsmarker – lag bei 266 mg/l (Normwert: unter 5 mg/l). Die Ultraschalluntersuchung zeigte das erschreckende Ergebnis: perforierte Appendizitis mit beginnender Peritonitis.

Noch am selben Abend musste der kleine Patient im Klinikum Braunschweig notoperiert werden. Die Ärzte fanden eine generalisierte eitrige Peritonitis vor – eine lebensbedrohliche Situation. Es folgten intensive Spülungen, die Einlage von Drainagen und eine zehntägige stationäre Behandlung, teilweise auf der Intensivstation.
Die medizinischen Versäumnisse im Detail
Bei der rechtlichen Aufarbeitung des Falls wurden mehrere gravierende Behandlungsfehler identifiziert:
1. Unzureichende Dokumentation
Obwohl ein Druckschmerz im rechten Unterbauch festgestellt wurde, fehlte die Dokumentation, ob eine Abwehrspannung bestand – ein entscheidendes Kriterium zur Diagnose einer Appendizitis.
2. Mangelhafter Ultraschallbefund
Die Ultraschalluntersuchung wurde zwar durchgeführt, doch wurde nicht dokumentiert, ob und wie der Appendix dargestellt werden konnte. Ohne diese Information kann eine Blinddarmentzündung nicht sicher ausgeschlossen werden.
3. Fehlende CRP-Bestimmung
Besonders gravierend: Der CRP-Wert wurde bei der ersten Vorstellung nicht bestimmt. Ein Entzündungswert von 266 mg/l hätte am 28. Januar bereits auf die ernste Situation hingewiesen.
4. Unterlassene Konsultation eines Spezialisten
Bei den vorliegenden Symptomen wäre die Hinzuziehung eines Kinderchirurgen geboten gewesen, der die Entscheidung über ein operatives Vorgehen oder eine stationäre antibiotische Therapie hätte treffen müssen.

Die Folgen für das Kind und seine Familie
Die Konsequenzen des medizinischen Fehlers sind bis heute spürbar:
Körperliche Beschwerden:
- Anhaltende Verdauungsprobleme und Verstopfungen
- Chronische Bauchschmerzen
- Schlechtes Essverhalten
- Große Operationsnarbe am Bauch
Psychische Belastungen:
- Nächtliche Angstzustände und Alpträume
- Massive Angst vor Ärzten und Krankenhäusern
- Sozialer Rückzug
- Emotionale Instabilität
Diese Traumatisierung erschwert künftige medizinische Behandlungen erheblich und beeinträchtigt die Lebensqualität des Kindes und seiner Familie nachhaltig.
Der rechtliche Erfolg: 45.000 Euro Schadenersatz
Als spezialisierte Anwaltskanzlei für Arzthaftungsrecht haben wir diesen Fall übernommen und eine umfassende rechtliche Aufarbeitung vorgenommen. Die Argumentation basierte auf folgenden Punkten:
- Grober Behandlungsfehler: Die Versäumnisse stellten in ihrer Gesamtheit einen groben Behandlungsfehler dar, was zu einer Beweislastumkehr führte
- Angemessenes Schmerzensgeld: Unter Berücksichtigung des jungen Alters, der langen Leidenszeit und der psychischen Folgeschäden
- Zukunftsschäden: Vorbehalt für mögliche Spätfolgen wie chronische Darmerkrankungen, Verwachsungen oder psychische Störungen
Nach intensiven Verhandlungen konnte ein außergerichtlicher Vergleich über 45.000 Euro erzielt werden. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus:
- Schmerzensgeld für die erlittenen physischen und psychischen Beeinträchtigungen
- Anerkennung der langfristigen gesundheitlichen Folgen
- Berücksichtigung der besonderen Situation eines so jungen Patienten
Was Eltern aus diesem Fall lernen können
Dieser Fall zeigt, wie wichtig es ist, bei Kindern mit Bauchschmerzen wachsam zu sein. Wenn folgende Symptome auftreten, sollten Sie umgehend ärztliche Hilfe suchen:
- Starke Bauchschmerzen, besonders im rechten Unterbauch
- Hohes Fieber in Verbindung mit Bauchschmerzen
- Wiederholtes Erbrechen
- Verschlechterung des Allgemeinzustands
- Harter, gespannter Bauch
- Schonhaltung mit angezogenen Beinen
Wichtig: Wenn Sie das Gefühl haben, dass die Diagnose nicht stimmt oder sich der Zustand Ihres Kindes verschlechtert, zögern Sie nicht, eine Zweitmeinung einzuholen oder erneut ärztliche Hilfe aufzusuchen.
Fazit: Recht auf bestmögliche medizinische Versorgung
Eine nicht erkannte Blinddarmentzündung kann dramatische Folgen haben – wie dieser Fall eindrücklich zeigt. Kinder haben ein Recht auf sorgfältige Diagnostik und angemessene Behandlung. Wenn medizinische Fehler zu schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen, ist es wichtig, die rechtlichen Möglichkeiten zu kennen und wahrzunehmen.
Als spezialisierte Kanzlei für Arzthaftungsrecht stehen wir Betroffenen zur Seite, um ihre Rechte durchzusetzen und angemessene Entschädigungen zu erstreiten. Denn hinter jedem Fall stehen Menschen – oft Kinder –, deren Leben durch vermeidbare Fehler nachhaltig beeinträchtigt wurde.
Als Fachanwalt für Medizinrecht unterstützt Sie Christoph Mühl mit langjähriger Erfahrung und juristischem Know-How bei der Prüfung möglicher Behandlungsfehler, insbesondere wenn es um die Haftung bei zu spät erkannter Blinddarmentzündung bei Kindern geht.
Gemeinsam klären wir mit Ihnen, ob ein Anspruch auf Schmerzensgeld, Schadensersatz oder Rentenleistungen bestehen könnte und helfen Ihnen dabei, Ihre Rechte konsequent durchzusetzen.
Wenn Sie unsicher sind, ob in Ihrem Fall ein ärztliches Fehlverhalten vorliegt, nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf.
In einem ersten kostenlosen und unverbindlichen Gespräch prüfen wir Ihre Situation und zeigen Ihnen Ihre rechtlichen Möglichkeiten auf.

Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu nicht erkannter Blinddarmentzündung
1. Wie häufig wird eine Blinddarmentzündung bei Kindern übersehen?
Eine Blinddarmentzündung (Appendizitis) gehört zu den häufigsten chirurgischen Notfällen im Kindesalter, wird aber aufgrund unspezifischer Symptome nicht selten zunächst fehldiagnostiziert. Besonders bei kleinen Kindern kann die Diagnose schwierig sein, da sie ihre Beschwerden oft nicht präzise lokalisieren können. Studien zeigen, dass die Fehldiagnose-Rate bei Kindern unter 5 Jahren höher liegt als bei älteren Kindern. Gerade in frühen Stadien können die Symptome einer Magen-Darm-Infektion ähneln. Dennoch ist bei typischen Warnsignalen wie rechtsseitigem Unterbauchschmerz, Fieber und Erbrechen eine sorgfältige Abklärung zwingend erforderlich. Wird die richtige Diagnose verzögert gestellt, steigt das Risiko einer Perforation (Durchbruch) und damit lebensbedrohlicher Komplikationen erheblich.
2. Ab wann liegt ein Behandlungsfehler vor, wenn eine Blinddarmentzündung nicht erkannt wurde?
Ein Behandlungsfehler liegt vor, wenn die medizinische Versorgung nicht dem anerkannten fachlichen Standard entspricht. Bei Verdacht auf Appendizitis müssen Ärzte eine sorgfältige Differentialdiagnostik durchführen. Dies beinhaltet eine gründliche klinische Untersuchung mit Prüfung auf Abwehrspannung, eine vollständige Ultraschalluntersuchung mit Darstellung der Appendix sowie die Bestimmung relevanter Blutwerte (insbesondere CRP und Leukozyten). Werden diese Untersuchungen unterlassen oder unsachgemäß durchgeführt, kann dies einen Behandlungsfehler darstellen. Als „grob fehlerhaft“ gilt ein Fehler, wenn der Arzt eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen hat und ein Fehler vorliegt, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint. In solchen Fällen kommt es zur Beweislastumkehr – der Arzt muss dann beweisen, dass der Fehler nicht für die Gesundheitsschäden ursächlich war.
3. Welche Ansprüche habe ich, wenn mein Kind durch eine nicht erkannte Blinddarmentzündung geschädigt wurde?
Bei einem nachgewiesenen Behandlungsfehler mit gesundheitlichen Folgen stehen Ihnen mehrere Ansprüche zu. Zunächst haben Sie Anspruch auf ein angemessenes Schmerzensgeld für die erlittenen körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen. Die Höhe richtet sich nach der Schwere der Verletzung, der Dauer der Beschwerden, dem Alter des Kindes und den langfristigen Folgen. Zusätzlich können materielle Schäden geltend gemacht werden: Behandlungskosten, Fahrtkosten, Verdienstausfall der Eltern sowie ein Haushaltsführungsschaden. Besonders wichtig ist die Geltendmachung von Zukunftsschäden durch eine Feststellungsklage, da bei Kindern oft erst Jahre später Spätfolgen wie Verwachsungen, chronische Darmprobleme oder psychische Traumata vollständig erkennbar werden. Auch die außergerichtlichen Anwaltskosten muss die Gegenseite bei berechtigten Ansprüchen übernehmen.
4. Wie lange habe ich Zeit, Ansprüche wegen eines Behandlungsfehlers geltend zu machen?
Für Schadenersatzansprüche wegen ärztlicher Behandlungsfehler gilt grundsätzlich eine Verjährungsfrist von drei Jahren. Diese Frist beginnt jedoch erst mit dem Schluss des Jahres, in dem Sie von dem Schaden und den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis erlangt haben oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätten erlangen müssen. Bei Kindern kann sich die Situation komplizierter gestalten: Werden Schäden erst Jahre später erkennbar (zum Beispiel Verwachsungen oder psychische Folgen), beginnt die Verjährung für diese Schäden erst mit ihrer Entdeckung. Zudem gilt eine maximale Verjährungsfrist von 30 Jahren ab dem schädigenden Ereignis. Dennoch ist es ratsam, möglichst frühzeitig einen spezialisierten Anwalt zu konsultieren, da Beweise mit der Zeit verloren gehen können.
5. Was sollte ich als erstes tun, wenn ich einen Behandlungsfehler vermute?
Wenn Sie vermuten, dass bei der Behandlung Ihres Kindes Fehler gemacht wurden, sollten Sie zunächst alle medizinischen Unterlagen sichern. Dazu gehören Arztbriefe, Befunde, Laborwerte, OP-Berichte und Entlassungsberichte aller beteiligten Kliniken und Ärzte. Sie haben ein Recht auf Einsicht und Kopien Ihrer Patientenakten. Dokumentieren Sie außerdem zeitnah alle Beschwerden, Folgebehandlungen und Auswirkungen auf den Alltag Ihres Kindes – am besten mit Fotos, Tagebucheinträgen und ärztlichen Attesten. Kontaktieren Sie anschließend einen auf Arzthaftungsrecht spezialisierten Rechtsanwalt. Dieser kann die Unterlagen prüfen, bei Bedarf ein medizinisches Gutachten einholen und beurteilen, ob Erfolgsaussichten bestehen. Vermeiden Sie voreilige Äußerungen gegenüber der Klinik oder deren Versicherung, bevor Sie anwaltlich beraten wurden. Bei der Durchsetzung von Arzthaftungsansprüchen ist fachliche Expertise entscheidend, da diese Verfahren medizinisch und rechtlich hochkomplex sind.












