Innerhalb welcher Fristen verjähren Ersatzansprüche wegen eines ärztlichen Behandlungsfehlers?
Ratgeber zur Arzthaftung – Verjährung
Grundsätzliches zur Verjährung
Ansprüche aus ärztlicher Falschbehandlung unterliegen einheitlich einer dreijährigen Verjährungsfrist (§ 195 BGB). Das ist unabhängig davon, ob sie aus Vertrag und aus unerlaubter Handlung hergeleitet werden. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Patient von den Umständen, die den Anspruch begründenden (hier: Behandlungsfehler), und der Person des Anspruchsgegners (hier: Arzt oder Krankenhaus) Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 BGB). Die Verjährungsfrist beginnt also nicht bereits mit dem Ende der Behandlung, sondern erst mit dem Schluss des Jahres, in dem sich es sich dem Patienten geradezu aufdrängen muss, dass dem Arzt ein Behandlungsfehler unterlaufen ist.
Verjährungsverzicht
Da ein Patient als medizinischer Laie diese Kenntnis kaum haben kann, sollte er sich bereits beim geringsten Verdacht auf einen Behandlungsfehler unverzüglich an einen spezialisierten Anwalt wenden. Der weiß, was zu tun ist: er fordert die Behandlungsunterlagen an, setzt sich mit der gegnerischen Versicherung auseinander und bittet sie ggfs. um einen Verjährungsverzicht. Diesen Verzicht erteilen die Versicherungen auch in aller Regel, doch sie tun es nicht von sich aus: Man muss sie dazu auffordern.
Kenntnis durch Gutachten
Um festzustellen, ob wirklich ein ärztlicher Behandlungsfehler vorliegt, ist regelmäßig ein medizinisches Gutachten notwendig. Dieses vermittelt dann die positive Kenntnis vom Fehler. Dabei muss beachtet werden, dass es mehrere Monate dauert, bis ein solches Gutachten vorliegt. In dieser Zeit läuft die Verjährungsfrist im Zweifel weiter. Ein Fachanwalt für Medizinrecht kennt die Möglichkeiten, um die Verjährung zu hemmen bzw. die Ansprüche nicht verjähren zu lassen.
Drängt sich der Verdacht einer fehlerhaften Behandlung auf (das meint das Gesetz mit „grob fahrlässige Unkenntnis“), beginnt die Verjährung am Ende des Jahres zu laufen, in dem der Patient den Verdacht hegte.
Grob fahrlässige Unkenntnis
Wann liegt grob fahrlässige Unkenntnis beim Patienten vor?
Dies lässt sich am besten durch eine Zusammenfassung aus einem Urteil des OLG Frankfurt, Urteil vom 10.09.2019 – 8 U 43/17 beantworten:
Wendet der Arzt in einem Arzthaftungsprozess ein, dass der Patient aufgrund grober Fahrlässigkeit nicht erkannt hat, dass ein Behandlungsfehler vorlag, so ist zu Gunsten des Patienten zu berücksichtigen, dass dieser nicht ohne weiteres aus einer Verletzungshandlung, die zu einem Schaden geführt hat, auf einen schuldhaften Behandlungsfehler zu schließen braucht.
Denn der Patient ist in seinen Möglichkeiten, dies zu erkennen, eingeschränkt, weil er ein medizinischer Laie ist. Deswegen führt alleine der negative Ausgang einer Behandlung (ohne weitere sich aufdrängende Anhaltspunkte für eine behandlungsfehlerhaftes Geschehen) nicht dazu, dass der Patient zur Vermeidung der Verjährung seiner Ansprüche zwangsläufig etwas unternehmen müsste, um das Behandlungsgeschehen aufzuklären.
Gut zu wissen: Die Einrede des Arztes, der Arzthaftungsanspruch sei wegen grob fahrlässiger Unkenntnis verjährt, führt kaum in einem Fall zum Erfolg.
Was ist, wenn die Folgen erst nach langer Zeit erkennbar werden?
Wenn die Folgen, d.h. der Schaden, erst nach mehreren Jahren erkennbar werden, ist eine Besonderheit zu beachten: 30 Jahre nach der Begehung des Behandlungsfehlers (= Zeitpunkt der fehlerhaften Behandlung) kann sich der Arzt ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs und Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis des Patienten auf Verjährung berufen (§ 199 Abs. 2 BGB).
Gut zu wissen: Unabhängig von der Kenntnis verjähren Ersatzansprüche in 30 Jahren seit Behandlung.
Alles auf einen Blick
Bei positiver Kenntnis von Fehler und kausalem Schaden verjähren die Ansprüche auf Schadenersatz und Schmerzensgeld in drei Jahren.
Die Verjährungsfrist beginnt dabei jeweils immer zum Jahresende.
Geschädigte Patienten dürfen daher keinesfalls den Stichtag 31.12. verpassen und sollten bei Verdacht auf einen ärztlichen Behandlungsfehler nicht zu lange zögern, frühzeitig aktiv werden und einen Fachanwalt für Medizinrecht hinzuziehen. Was man bei einem Verdacht auf einen ärztlichen Behandlungsfehler tun sollte erfahren Sie HIER.