29.000 Euro Schadensersatz für Verbrennungen am Gesäß eines Kleinkindes durch Behandlungsfehler
Immer wieder kommen in meiner Kanzlei für Medizinrecht Anfragen an, wieviel Schmerzensgeld es für Verbrennungen bei Operationen gibt, die durch Behandlungsfehler hervorgerufen werden.
Heute erfahren Sie mehr über einen Fall der Haftung einer Universitätsklinik für grobe ärztliche Behandlungsfehler, die zu einer Verbrennung am Gesäß eines kleinen Mädchens geführt haben und die Hintergründe.
Während einer Operation zur Behebung eines Leistenbruchs wurde unsere Mandantin am Gesäß verbrannt. Dies konnte nur deshalb geschehen, weil die Ärzte einen groben Behandlungsfehler begangen haben.
Zur Blutstillung haben sie bei der Operation der Leistenhernie ein Hochfrequenz–Chirurgiegerät verwendet. Leider hat man “vergessen”, eine Unterlage zu verwenden, um Verbrennungen durch elektrischen Strom auf diese Weise sicher zu vermeiden.
Die Unterlage ist wiederum zur Isolation nötig und wird unter das Gesäß gelegt, weil es gerade bei einem Säugling zu Feuchtigkeitsansammlungen durch Urinausscheidung, Schweiß oder auch schlicht durch Desinfektionsmittel, das heruntergelaufen ist, kommen kann. Feuchtigkeit leitet Strom und dann kommt es unweigerlich zu Verbrennungen.
Mit einer Gelmatte oder Gummiunterlage ist das ausgeschlossen. Die Nicht–Verwendung einer Unterlage ist ein grober ärztlicher Behandlungsfehler im Sinne eines voll beherrschbaren Risikos.
Inhalt
Wie ist es zu den Verbrennungen am Gesäß gekommen?
Im Rahmen einer Routineuntersuchung wurde bei dem kleinen Mädchen ein Leistenbruch diagnostiziert. Um den Leistenbruch zu behandeln, haben die Eltern auf Empfehlung der Ärzte einer Operation zugestimmt.
Deshalb wurde das Mädchen in ein großes Krankenhaus (Universitätsklinik Mannheim) aufgenommen, wo sie anschließend operiert wurde. Beide Bruchlücken wurden im Rahmen dieser Operation verschlossen. Während der Operation haben die Ärzte zur Blutstillung ein monopolares Hochfrequenz–Chirurgiegerät genutzt. Das ist im Klinikalltag absolut üblich. Dabei wird hochfrequente elektrische Energie dazu genutzt, Gewebe, das blutet, zu veröden. So werden auch größere Blutungen gestillt.
Gut zu wissen: Grundsätzlich unterscheidet man dabei zwischen der monopolaren und bipolaren Technik. Bei der bipolaren Technik fließt der Strom nur durch einen bestimmten und definierten Gewebebereich. Dagegen fließt bei der monopolaren Technik der Strom durch den ganzen Körper.
Während der Operation kam es wohl zum Urinaustritt; bei kleinen Kindern ist so etwas völlig üblich ist. Außerdem schwitze sie, was auch zu einer Flüssigkeitsansammlung führt. Auch letzteres ist vollkommen üblich, und zwar auch bei älteren Patienten, wenn sie länger auf einer Stelle sitzen oder liegen.
Ob es letztlich Urin war, Schweiß oder einfach Desinfektionsmittel, welches unbemerkt heruntergelaufen ist und sich im Bereich des Gesäßes angesammelt hat, ist unerheblich. Denn eine Verbrennung kann nur dann stattfinden, wenn irgendeine Flüssigkeit da ist. Weil das alles vorhersehbar ist und man weiß, dass Flüssigkeiten elektrischen Strom leiten und es dadurch zu Verbrennungen kommen kann, muss man Vorkehrungen treffen, um das zu verhindern oder eben ein bipolares Gerät verwenden. Denn bei der bipolaren Technik ist es ebenfalls ausgeschlossen, dass es zu solchen Komplikationen (Verbrennungen) kommt. Beides wurde leider nicht beachtet.
Dort, wo sich die Flüssigkeit auf dem leitungsfähigen OP-Tisch angesammelt hat, kam es deshalb zu Verbrennungen (Grad 2) am Gesäß der kleinen Mandantin.
Gut zu wissen: Ein OP-Tisch ist aus Metall, das Strom leitet, weswegen bei Operationen eine Unterlage verwendet werden muss, damit es zu keinen Verbrennungen kommt, wenn sich Flüssigkeiten in einer Region ansammeln.

Worin lag der Behandlungsfehler und wie konnte die Verbrennung passieren?
Die Verbrennungen, die das Mädchen durch die Operation erlitt, lassen sich ohne Zweifel auf einen ärztlichen Behandlungsfehler zurückführen. Rechtlich handelt es sich um ein sog. voll beherrschbares Risiko, welches sich hier verwirklicht hat.
Leitungsfähiger Untergrund
Die kleine Mandantin war ein Säugling, der im Laufe der Operation mutmaßlich Urin verloren hat. Die Flüssigkeit sammelte sich um ihr Gesäß auf dem OP-Tisch an. Der OP-Tisch ist aus Metall und leitet deshalb Strom. Weil die Flüssigkeit nicht entfernt wurde, ist der Strom durch den OP-Tisch geflossen und führte zu Verbrennungen am Gesäß der kleinen Patientin.
Hätte man das Kind ordnungsgemäß, also bspw. auf einer Gummi- oder Gelmatte, gelagert, wäre es unter keinen Umständen zu den Verbrennungen gekommen. Denn Gummi leitet keinen elektrischen Strom. Sie wäre damit “isoliert” gewesen.
Das Nicht-Einhalten dieser ebenso einfachen wie notwendigen Sicherheitsmaßnahmen ist dem Operateur voll zuzurechnen. Der Arzt muss das wissen und deshalb Maßnahmen zur Vorbeugung von solchen Verbrennungen treffen. Tut er das nicht, ist das rechtlich ein grober Arztfehler.
Ansammlung von Flüssigkeiten
Darüber hinaus wurde zu keinem Zeitpunkt im OP-Bericht festgehalten, dass die Flüssigkeit, welche sich angesammelt haben muss, entfernt wurde. Ebenso wurde nicht festgehalten, ob eine solche Überprüfung auf Flüssigkeiten stattgefunden hat.
PatientInnen müssen während der gesamten Operation trocken gelagert werden. Es muss stets darauf geachtet werden, dass Flüssigkeiten – unabhängig davon, ob es sich um Körperflüssigkeiten oder um Desinfektionsmittel etc. handelt – nicht verspritzt oder verschüttet wurden.
Im gesamten OP-Bericht hat der operierende Arzt mit keinem einzigen Wort erwähnt, dass er die obigen Vorkehrungen getroffen bzw. Vorsichtsmaßnahmen ergriffen hätte.
Gut zu wissen: Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) ist in einem solchen Fall, in dem erforderliche Maßnahmen nicht aufgeschrieben werden, davon auszugehen ist, dass hier auch nichts unternommen wurde.
Es sind insgesamt zwei ärztliche Behandlungsfehler gegeben.
- der Arzt hat die trockene Lagerung nicht überprüft und
- der Arzt hat eine Lagerung auf einer Gummimatte oder Gelunterlage nicht vorgenommen.
Damit ist eine Verbrennung am Gesäß von PatientInnen bei Einsatz eines Hochfrequenz-Chirurgie-Gerätes für den Arzt durch entsprechende Maßnahmen sicher vermeidbar und er haftet der Geschädigten wegen Verwirklichung eines voll beherrschbaren Risikos auf Schadenersatz und Schmerzensgeld.
Gut zu wissen: Durch den Einsatz von Desinfektionsmitteln kann es auch zu chemischen Verbrennungen oder Verätzungen kommen. Auch das ist für den Arzt voll beherrschbar und es stellt gleichermaßen einen groben Behandlungsfehler dar, wenn nach dem Desinfizieren nicht überprüft wird, ob das Mittel heruntergelaufen ist und sich irgendwo angesammelt hat.
Wenn Sie mehr über die Haftung des Chirurgen erfahren wollen oder bei sich bzw. Ihrem Angehörigen einen ärztlichen Behandlungsfehler des Chirurgen vermuten, nehmen Sie zu uns kostenlos und unverbindlich Kontakt auf oder lesen hier mehr.
Welche gesundheitlichen Folgen sind durch die Verbrennungen infolge groben Behandlungsfehlers eingetreten?
Folgende Schmerzen, Beschwerden und Beeinträchtigungen liegen bei der durch den vermeidbaren ärztlichen Behandlungsfehler geschädigten Patientin vor:
- Die Mandantin erlitt mit einem sehr jungen Alter Verbrennungen (Verbrennungen Grad 2a) an ihrem Gesäß. Die Verbrennungen haben vor allem zu erheblichen Schmerzen, Vernarbungen und Brandblasen geführt.
- Wegen der durch den Behandlungsfehler erlittenen Verbrennungen hatte die Mandantin viele Kontrolltermine, welche jedes Mal mit extremen Schmerzen für sie verbunden waren, weil regelmäßig Verbandswechsel nötig waren. Bei jedem dieser Termine weinte sie durchgängig vor Schmerzen.
- Aufgrund des ärztlichen Fehlers muss man davon ausgehen, dass bei der Mandantin zu einem späteren Zeitpunkt eine Hauttransplantation erforderlich werden wird. Hierbei wird Haut aus einer anderen Körperregion entnommen (z.B. vom Oberschenkel) und in den beschädigten bzw. verletzten Bereich transplantiert. Den Unterschied zu der umgebenden Haut wird man immer merken, wobei der verbrannte Bereich hier das gesamte Gesäß umfasst und in der Bikini-Zone liegt. Diese Hauttransplantation ist wiederum mit nicht unerheblichen Risiken und auch Schmerzen verbunden, wobei nicht garantiert werden kann, dass die Haut in diesem Bereich auch tatsächlich anwächst.
- Die kleine Patientin war wegen des Behandlungsfehlers und dessen Folgen über Wochen auf Schmerzmittel angewiesen. Die Schmerzmittel hatten aber keine durchschlagende Wirkung und sie weinte immer wieder, vor allem, wenn der Verband gewechselt werden musste, weil er an der durch den Arztfehler verbrannten Haut „festgebacken“ ist.
- Sie konnte auch nicht gut schlafen und wachte häufig auf, denn kleine Kinder liegen häufig auf dem Rücken beim Schlafen. Das heißt, sie lag auf den infolge des vermeidbaren Arztfehlers verbrannten Stellen und der Druck den das Körpergewicht ausübt, führte zu Schmerzen. Da half es auch nur bedingt, alles gut zu polstern und zu versuchen, sie in Seitenlage oder auf dem Bauch schlafen zu lassen. Die kleine Patientin schlief in diesen Wochen höchstens eine Stunde am Stück, da der Druck und die Schmerzen für sie – trotz Schmerzmitteln- schwerwiegend waren. Oft weinte sie dann stundenlang und ließ sich kaum beruhigen.
- Durch die Bewegungseinschränkung, der sie ausgesetzt war, war sie oft unausgelastet. Auch dies spielte eine große Rolle, da sie oft nicht einmal müde genug war, um einzuschlafen.
- Aufgrund des ärztlichen Behandlungsfehlers erlitt die Mandantin extreme Vernarbungen am Gesäß. Vernarbungen gehen im Laufe der Zeit auch nicht zurück oder gar weg. Narbengewebe bleibt ein Leben lang und ist empfindlich, verfärbt sich und verhärtet teilweise. Auch hier ist damit zu rechnen, dass die Mandantin ihr Leben lang beeinträchtigt ist.
Welche Auswirkungen haben die durch Behandlungsfehler verursachten Verbrennungen auf das Leben des Kindes?
Die Mandantin war zum Zeitpunkt der fehlerhaften Behandlung sehr jung. Sie wird ihr ganzes Leben mit einer extrem empfindlichen Haut am Gesäß leben müssen. Darüber hinaus ist die Haut infolge des Behandlungsfehlers vernarbt und verfärbt. Ihr Gesäß ist somit für den Rest ihres Lebens entstellt.
Selbst eine Hauttransplantation, die wieder weitere Risiken mit sich bringt, da man von einer anderen Körperregion erstmal Haut abtrennen muss, garantiert keine Besserung. Die Mandantin wird ihr Leben lang an den Aufenthalt in der Universitätsklinik Mannheim erinnert werden.
Es ist höchst wahrscheinlich, dass sie sich nie wirklich wohl in ihrer Haut fühlen wird. Schwimmbadbesuche, die gerade für Kinder mit Spaß, Freude und Heiterkeit in Verbindung gebracht werden, werden für sie eine Herausforderung, da sie für jedermann sichtbare Entstellungen hat. Während des Schwimmunterrichts in der Schule oder in der Umkleide beim Sport wird sie zur Zielscheibe ihrer MitschülerInnen.
Studien belegen, dass ca. 25 % aller Schüler mehrmals im Monat gemobbt werden. Die Mandantin ist diesem Risiko auf Grund des fehlerhaften Verhaltens des operierenden Arztes ihr Leben lang ausgesetzt.
Gerade in einem Zeitalter, in dem Kinder schon im jüngsten Alter massiv von den soziale Medien geprägt werden und „Ideale“ im Internet auf sich übertragen wollen, ist unsere Mandantin mit Hautverfärbungen und Vernarbungen einer extrem hohen Gefahr für Mobbing ausgesetzt.
Durch die oben beschriebenen Situationen wird es zwangsläufig zu extremen Schüben an Schamgefühlen bei der geschädigten Mandantin kommen. Schamgefühl kann und wird sich ggf. negativ auf die psychische Gesundheit der Mandantin auswirken.
Daneben ist es wahrscheinlich, dass die Mandantin aufgrund der gleichen Gefühle auf Probleme z.B. in Liebesbeziehungen stoßen wird.
Ist ein Schadenersatz von 29.000 € angemessen für Verbrennungen am Gesäß durch einen Arztfehler?
Mein Team und ich konnten für unsere Mandantin einen Schadenersatz von 29.000 € erkämpfen.
Eine angemessene Entschädigung in Form eines Schmerzensgeldes wird im deutschen Rechtssystem an verschiedenen Kriterien gemessen. Neben des Alters des Geschädigten und der Schwere des Schadens, treten zur Orientierung des Gerichts vorherige Entscheidungen.
Bei jeder Fallbeurteilung muss dazu die Doppelfunktion des Schmerzensgeldes berücksichtigt werden. Diese drückt aus, dass das Schmerzensgeld zum einen als Entschädigung und Ausgleich (Ausgleichsfunktion) und zum anderen als Genugtuung für das erlittene Leid (Genugtuungsfunktion) dienen soll.
Hier ist darauf abzustellen, dass es sich um ein kleines Mädchen handelt, welches nun den Rest seines Lebens mit den oben beschriebenen Beeinträchtigungen zu leben hat.
Dazu kommt eine vergleichbare Entscheidung des OLG Oldenburg aus dem Jahr 1999. Hierbei wurde einem 65-jährigen Mann bei vergleichbaren gesundheitlichen Schäden ein Schmerzensgeld von 35.000 DM zugesprochen, umgerechnet sind das ca. 22.000 €. Deshalb ist der hier erkämpfe Schadenersatz beachtlich.
Was können Sie in einem vergleichbaren Fall tun?
Gerade bei Schäden, die ein Leben lang bleiben und sichtbar sind, ist es wichtig, einen Experten für Schadenersatz bei Personenschäden an Ihrer Seite zu haben. Die Kanzlei für Arzthaftung und Geburtsschäden in Mainz hat sich auf das Medizinrecht spezialisiert und hilft Opfern von ärztlichen Behandlungsfehlern dabei, eine angemessenen Entschädigung zu erhalten.
Im Arzthaftungsrecht vertritt die Kanzlei deshalb ausschließlich Patienten und kämpft für ihre Rechte.
Sofern bei Ihnen oder Ihr Angehöriger ebenfalls eine Verbrennung bei einer Operation erlitten haben, scheuen Sie sich nicht, einen Termin für ein unverbindliches Orientierungsgespräch zu vereinbaren und erfahren mehr darüber, welche Möglichkeiten Ihnen zustehen und welche Rechte Sie haben..
Nur ein erfahrener Patientenanwalt kann Sie in komplexen Sachverhalten des Arzthaftungsrechts kompetent vertreten und für Sie eine faire und angemessene Entschädigung durchsetzen.








