17.500 Euro Schmerzensgeld für vergessenes Bauchtuch – grober Organisationsfehler
Die Patientin bekam 17.500 Euro Schmerzensgeld wegen eines vergessenen Bauchtuchs. Der Gynäkologe (Frauenarzt) hat es schlicht versäumt, ein Bauchtuch vor dem Nähen herauszuholen und das Tuch ist im Unterleib der Patientin geblieben. Ein vergessenes Bauchtuch ist als ein grober Organisationsfehler zu werten. Es ist nämlich völlig vermeidbar, wenn der Arzt die erforderliche Sorgfalt einhält.
Was ist vorgefallen? Wie konnte der Frauenarzt das Bauchtuch vergessen?
Die Mandantin begab sich zu einem Gynäkologen. Der Frauenarzt sollte bei ihr eine Sterilisation nach einer Geburt durchführen. Sie war bis dahin bereits Mutter von drei Kindern und hatte ihre Familienplanung abgeschlossen.
Die Operation selbst verlief dann komplikationslos – laut Operationsbericht. Dennoch verspürte die Patientin danach starke Schmerzen. Sie beschrieb dies als heftiges stechendes Gefühl bei Bewegung, aber auch in Ruhe.
Was sie nicht wusste, der Frauenarzt hat ein Bauchtuch vergessen, das im Unterleib geblieben ist. Eine Zählkontrolle hatte man vor dem Zunähen und auch danach nicht durchgeführt. Die Zählkontrolle soll sicherstellen, dass man nichts vergisst. Dazu gleicht der Arzt oder die OP-Helfer die in eine Liste vor der Operation eingetragenen Gegenstände mit deren Anzahl nach Abschluss des Eingriffs ab und macht einen Haken in diese Liste nach erfolgtem Durchzählen. Hier jedoch nicht.
Das Bauchtuch musste dann bei einem zweiten Eingriff entfernt werden. Die Mutter von drei Kindern war für Wochen ausser Gefecht, konnte weder laufen noch irgendetwas heben und hatte in dieser Zeit aber einen Säugling zu versorgen.
Wie hat sich der Frauenarzt verhalten?
Nachdem alles ans Tageslicht gekommen ist, wollte sich der Frauenarzt zunächst herausreden. Er bot der Patientin schließlich an, die Kosten für die Sterilisation zu übernehmen (knapp 2.000 Euro). Im Übrigen zeigte er sich uneinsichtig und machte ihr sogar Vorwürfe. Kein Wort des Mitgefühls, keine Selbstkritik. Nicht einmal zu einer einfachen Entschuldigung war er fähig oder bereit.
Die geschädigte Patientin hatte sich nach einer langen Erholungsphase dazu durchgerungen, nach einem Fachanwalt für Medizinrecht zu suchen und stieß dabei auf die Kanzlei für Arzthaftung und Geburtsschäden von Rechtsanwalt Christoph Mühl. Er hat erfolgreich ein Schmerzensgeld und weitere Schadenersatzansprüche (Haushaltsführungsschaden, vermehrte Bedürfnisse, Fahrtkosten und sonstige Auslagen) für sie geltend gemacht und mit der Haftpflichtversicherung des Frauenarztes Verhandlungen aufgenommen.
Wenn Sie durch einen Arztfehler durch einen Frauenarzt vermuten, lesen Sie hier mehr zu Haftung des Frauenarztes in unserem Artikel
Grober Ärztefehler des Operateurs – Vergessen eines Bauchtuchs im Unterleib
Das Unterlassen einer Zählkontrolle ist – um es neudeutsch zu sagen – ein „no – go“. Denn es gehört zu den Routinen, die man fordert, gerade damit nicht irgendwelche Gegenstände oder Material vergessen werden. Diese Kotrolle gehört zu der regelgerechten Organisation in jedem Krankenhaus bzw. jeder Klinik. Denn durch dieses einfache Mittel lässt sich das Vergessen von OP-Besteck oder Material sicher ausschließen.
Vergisst man die Zählkontrolle durchzuführen, ist das aus medizinischer Sicht vollkommen unverständlich (sogenanntes Organisationsverschulden). Rechtlich ist dieser Fehler als ein grober ärztlicher Behandlungsfehler mit der Rechtsfolge einer Beweislastumkehr zugunsten des Patienten anzusehen. So auch im vorliegenden Fall der Mandantin.
Welche Folgen sind durch das vergessene Bauchtuch eingetreten?
Nachdem die Patientin aus der Narkose aufgewacht ist, verspürte sie über Tage nach Entlassung einen starken Druck und stechende Schmerzen im Unterleib. Ihr Ehemann fuhr sie daraufhin wieder in die Klinik. Durch eine Sonographie wurde dort festgestellt, dass sich „etwas“ in ihrem Bauch befindet und eine Operation angesetzt.
Im Rahmen dieser zweiten Operation (Revisionseingriff) unter Vollnarkose wurde dieses „etwas“ als ein vergessenes Bauchtuch identifiziert und entfernt.
Wie geht es der jungen Frau heute?
Trotz der Entfernung kommt es immer wieder zu stechenden Schmerzen, die unter anderem durch Drehbewegungen im Rumpf hervorgerufen werden. Das Tragen von Lasten und Gegenständen fiel ihr über Monate schwer bzw. war gar nicht möglich. Auch konnte sie weder längere Strecken zu Fuß zurücklegen noch aus liegender/sitzender Position ohne Schmerzen aufstehen. Nach dem zweiten Eingriff klagt sie über starke Schmerzen im Steiß und sog. Anlaufschwierigkeiten etwa beim Losgehen/Loslaufen. Dadurch konnte sie Monate lang ihre drei kleinen Kinder, von denen eines noch ein Säugling ist, nur eingeschränkt betreuen und pflegen (zum Beispiel wenn der Säugling hochgehoben werden musste, was auch die beiden anderen kleinen Kinder von ihr „eingefordert“ haben).
Bis heute ist der Bauch bis zum Bauchnabel taub, da die Nervenenden beim Revisionseingriff verletzt wurden und sich bisher nicht erholt haben. Eine Spontanheilung ist aufgrund der verstrichenen Zeit (über zwei Jahre) äußerst unwahrscheinlich.
Zudem war der Eisenspiegel über Monate in einem krankhaften Bereich, was oft eingerissene und entzündete Mundwinkel zur Folge hatte, eine blasse, spröde und trockene Haut und ständige Müdigkeit. Außerdem war sie von migräneartigen Kopfschmerzen und einer erheblich herabgeminderten körperlichen und seelischen Belastbarkeit gezeichnet. Auch die Entzündungswerte waren über Monate erhöht und ihr Körper hatte monatelang damit zu kämpfen.
Zwar kann bei jedem Eingriff etwas schief gehen, nachdem kein Arzt einen Erfolg schuldet und auch keine Garantie für den Erfolg übernehmen kann; dennoch gehört es zu den Selbstverständlichkeiten im Rahmen der Organisation und der ärztlichen Sorgfalt, dass sämtliche im Rahmen einer Operation eingesetzten Gegenstände (Operationsbesteck, Bauchtücher, Tupfer usw.) vor und nach dem Eingriffen durchgezählt werden und so sichergestellt wird, dass auch nichts „vergessen“ wurde. An diesem Vertrauensverlust hat die junge Frau bis heute noch zu knabbern, gerade weil sie sich vertrauensvoll in die Hände ihres Frauenarztes begeben hat.
Schmerzensgeld für vergessenes Bauchtuch
Die Mandantin erhielt für die Folgen dieses Arztfehlers einen Schmerzensgeld in Höhe von 17.500 Euro.
Sind 17.500 Euro Schmerzensgeld für ein vergessenes Bauchtuch angemessen?
Wieviel Schmerzensgeld ist für ein vergessenes Bauchtuch angemessen? Hierzu muss man wissen, dass die deutschen Gerichte beim Schmerzensgeld teilweise noch zurückhaltend sind. In der Praxis berufen sich die Haftpflichtversicherungen der Ärzte und Krankenhäuser aber oft an völlig veraltete Gerichtsentscheidungen, z.T. noch aus DM-Zeiten. Deswegen ist aber nicht gesagt, dass Schmerzensgelder in Deutschland stets gering seien oder man diese Entscheidungen als Vergleichsgrundlagen heranzuziehen hätte.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat schon im Jahr 1976 betont, dass die Gerichte nicht gehalten sind, sich an frühere Entscheidungen zu halten und hiervon gerade bei gravierenden Verletzungen deutlich großzügiger verfahren sollen als früher. Zudem muss zu Gunsten der Geschädigten immer die Geldentwertung (Inflation) berücksichtigt werden. Diese Rechtsprechung haben einige Oberlandesgerichte auch in ihre tägliche Praxis übernommen. Nichtsdestotrotz versuchen Haftpflichtversicherungen stets an alte Entscheidungen anzuknüpfen und dadurch die Höhe des Schmerzensgeldes zu beeinflussen. Davon lassen sich wiederum manche Gerichte beeindrucken und sprechen dann verhältnismäßig geringe Schmerzensgelder zu.
Gut zu wissen: Der BGH betont seit Jahren, dass Gerichte keineswegs gehindert wären, von in früheren Urteilen zugesprochenen Schmerzensgeld-Beträgen abzuweichen. Gerade bei schwerwiegenden Verletzungen soll großzügig verfahren werden.
Ein Schmerzensgeld von 17.500 Euro ist ein Ergebnis, das sich sehen lässt, zumal ohne Einschaltung des Gerichts. Patientenanwalt Christoph Mühl hat das Schmerzensgeld außergerichtlich mit der Haftpflichtversicherung des Arztes verhandelt und der Mandantin so ein möglicherweise für sie belastendes Gerichtsverfahren erspart.
Fazit: Deswegen ist es bei einer Vermutung auf einen Arztfehler empfehlenswert, einen auf Patientenrechte und Personenschäden spezialisierten Rechtsanwalt zu beauftragen. Denn nur mit der Unterstützung eines Experten lassen sich angemessene Schmerzensgelder erzielen.