Hausarzt haftet wegen zu spät erkanntem Darmdurchbruch
Wegen einem zu spät erkannten Darmdurchbruch bekam die Mandantin insgesamt 100.000 € Schmerzensgeld. Es handelte sich um einen groben ärztlichen Behandlungsfehler, einen so genannten Befunderhebungsfehler. Der Darmdurchbruch hätte nämlich ausgeschlossen werden müssen, und zwar durch weitere Untersuchungen (CT vom Abdomen).
Wie kann es zu einem unbehandelten Darmdurchbruch kommen?
Was führten zum Schmerzensgeld bei dem Darmdurchbruch? Wie kam es zu dem Darmdurchbruch überhaupt?
Die Mandantin klagte über eine erhöhte Temperatur, Durchfall und heftige Bauchkrämpfe. Sie rief den Hausarzt an. Der Hausarzt kam zum Hausbesuch. Er untersuchte sie oberflächlich und gab ihr eine MCP-Spritze. Der Arzt ging von einem lapidaren Magen-Darm-Infekt aus. Die Patientin sollte abwarten und sich melden, wenn es nicht besser wird.
Es wurde auch nicht besser, sondern noch schlechter. Sie klagte über schlimmer gewordene Bauchkrämpfe, Durchfall, Fieber, Übelkeit und Erbrechen. Deshalb rief sie nochmal beim Hausarzt an. Er verschrieb ihr Buscopan.
Das geht noch ein paar Tage munter so weiter. Als sich der Urin bräunlich verfärbt und Blut und Eiweiß in der Schnelluntersuchung nachgewiesen werden, verschreibt der Hausarzt der Patientin ein Antibiotikum und geht nun von einem Harnwegsinfekt aus.
In der drei Tage später durchgeführten Labor Untersuchung sind die Entzündungsparameter stark erhöht: der CRP-Wert beträgt 210 mg/dl. Das ist sehr viel, bedenkt man, dass der Normalwert unter 0,5 mg/dl. Ein solcher Wert deutet auf eine sehr starke Entzündung hin, die durch einen Harnwegsinfekt kaum hervorgerufen werden kann.
Erst gut eine Woche danach weist der Hausarzt auf Drängen der Familienangehörigen die Patienten notfallmäßig ins Klinikum Weißenhorn ein. Im Klinikum macht man unter anderem ein CT. Die Diagnose lautet auf eine ausgeprägte Peritonitis, Verklebungen im gesamten Bauchraum und Verdacht auf große Abszesse im kleinen Becken. Unsere Mandantin litt an einer Sepsis mit akuten Nierenversagen und pulmonaler Insuffizienz.
Es folgen insgesamt vier komplizierte Eingriffe, wobei die Mandantin vorübergehend ein künstlicher Darmausgang angelegt wurde. Der künstliche Darmausgang ist erst sechs Monate nach der letzten Operation wieder zurück verlegt worden. Bis dahin musste die Mandantin mit einem so genannten Stomabeutel leben und zurecht kommen.
Grober ärztlicher Behandlungsfehler durch unterkannten Darmdurchbruch
In diesem Fall lag ein grober ärztlicher Behandlungsfehler vor. Denn trotz zahlreicher und massiver Symptome, die auf eine akute Darmproblematik schließen ließen sowie stetige Verschlechterung des allgemeinen Gesundheitszustandes wurde keine weitere Abklärung zum Ausschluss auf einen Darmdurchbruch gemacht. In der vorliegenden Fallgestaltung wäre ein CT-Abdomen erforderlich gewesen und eine frühzeitige Einweisung ins Krankenhaus, um eine Darmverletzung / Darmläsion auszuschließen. Werden Befunde nicht durchgeführt, für die es allerdings Anlass gibt beziehungsweise gegeben hätte, sprechen wir im Medizinrecht von einem so genannten Befunderhebungsfehler. In diesem Fall handelte es sich sogar um einen groben Fehler im Sinne unterlassener Befunderhebung. Dieser ärztliche Behandlungsfehler löst eine Beweislastumkehr zulasten des Arztes (hier: des Hausarztes) aus. Dieser muss dann beweisen, dass ein günstigerer Verlauf völlig unwahrscheinlich wäre. Der unterkannte Darmdurchbruch führt zu Schmerzensgeld.
Welche Folgen sind durch den unbehandelten Darmdurchbruch eingetreten?
Die Folgen für die Mandantin waren und sind bis heute massiv: Sie ist infolge der Verwachsungen und Verklebungen im Bauchraum schwerbehindert. Ihre körperliche Leistungsfähigkeit ist stark herabgesetzt, d.h. sie ist körperlich schnell schöpft. Es bestehen Verdauungsstörungen (sie muss sehr darauf achten, was sie ist beziehungsweise essen kann) und die Bauchdecke ist nach Außen gewölbt. Außerdem hat sie eine große, entstellende Narbe in der Bikinizone. Selbstverständlich wirkte sich das alles und vor allem der über ein halbes Jahr bestandene künstliche Darmausgang auf ihre Partnerschaft aus: ihr langjähriger Lebenspartner hat sich von ihr getrennt, weil er mit den körperlichen Einschränkungen der Mandantin nicht zurechtkam.
Das alles wäre vermeidbar gewesen, wenn der Hausarzt einen Darmdurchbruch, der sich über Tage abgezeichnet hat, durch weitere Untersuchungen abgeklärt hätte.
Sind 100.000 € Schmerzensgeld für einen unbehandelten Ileus angemessen?
Mit dieser Frage beschäftigen sich Patientenanwälte und Gerichte tagtäglich. Ob und in welcher Höhe ein Schmerzensgeld angemessen ist, entscheidet sich insbesondere nach folgenden Kriterien: Alter des Geschädigten, Einfluss auf das Privatleben und die berufliche Tätigkeit, Heftigkeit der Beeinträchtigungen, Dauer der Beschwerden, Auswirkungen auf das die Ehe und das Familienleben und selbstverständlich Einbußen in der Lebensgestaltung und Lebensqualität.
Das Oberlandesgericht (OLG) Celle hat im Jahr 1999 einem Mann wegen eines Darmdurchbruchs, infolgedessen er deutliche Beschwerden beim Heben, Tragen, Bücken und lange im Sitzen hatte, einen Betrag von 25.000 DM Schmerzensgeld zugesprochen. Bedenkt man diesen Fall, liegt das für die Mandantin erzielte Schmerzensgeld jedenfalls in einem angemessenen Bereich. Deswegen freuen wir uns auch über den für sie erzielten Erfolg.
Gut zu wissen: Der Bundesgerichtshof betont seit Jahren, dass Gerichte sich nicht an frühere Entscheidungen zu halten haben, sondern gerade bei schwerwiegenden Folgen und Dauerschäden durchaus großzügiger verfahren können als in früheren Jahren. Dies hängt einerseits mit der Geldentwertung zusammen. Andererseits sollen gerade schwerwiegende Schäden deutlich höher entschädigt werden als Bagatellverletzungen.
Die Beschwerden und Beeinträchtigungen der Mandantin waren und sind bis heute schwerwiegend und nachhaltig. Die Haftung des Hausarztes war hier auch eindeutig, wobei der Geschädigten die Beweislastumkehr zugute kam.
Fazit: Gerade bei schwerwiegenden Schäden ist es absolut zu empfehlen, einen Experten für Arzthaftung und Patientenrechte zu Rate zu ziehen. Auf diese Weise können Sie als geschädigte(r) PatientIn eine angemessene Entschädigung in Form von Schadenersatz und Schmerzensgeld erhalten.